Ideal und Praxis – Bischöfe und Bischofsamt im Heiligen Römischen Reich 1570-1620

Ideal und Praxis – Bischöfe und Bischofsamt im Heiligen Römischen Reich 1570-1620

Organizer(s)
Gesellschaft zur Herausgabe des Corpus Catholicorum e.V.; Julius-Maximilians-Universität Würzburg; Würzburger Diözesangeschichtsverein
Location
Würzburg
Country
Germany
From - Until
22.06.2017 - 24.06.2017
Conf. Website
By
Stefan W. Römmelt, Fränkische Kirchengeschichte, Julius-Maximilians-Universität Würzburg

Der Würzburger Fürstbischof Julius Echter von Mespelbrunn (1573-1617), dessen Todestag sich 2017 zum 400. Mal jährt, kann in mehrerlei Hinsicht als exemplarischer Fürst gelten: In seiner annähernd 44-jährigen Herrschaft führte er in seinem Hochstift konsequent die Gegenreformation durch und verhalf der katholischen Reform zum Durchbruch. Als Förderer des konfessionellen Bildungs- und Wohlfahrtsstaats und markanter Vertreter des geistlichen (Früh-)Absolutismus ging er in die Geschichte ein. Er prägte durch sein Wirken den nachtridentinischen fränkischen Katholizismus wesentlich.

Da 2017 auch das 500-jährige Reformationsjubiläum begangen wird, nahmen die Gesellschaft zur Herausgabe des Corpus Catholicorum e.V., die Julius-Maximilians-Universität Würzburg und der Würzburger Diözesangeschichtsverein das zweifache Jubiläumsjahr zum Anlass, in Archiv und Bibliothek des Bistums Würzburg eine zweitägige Tagung zu veranstalten. Diese lenkte den Blick über Julius Echter hinaus auf die allgemeine Entwicklung des Bischofsamtes und seiner Wahrnehmung im Heiligen Römischen Reich im Horizont der fortschreitenden Konfessionalisierung. Die Veranstaltung setzte sich mit den geschichtlichen Hintergründen und Zusammenhängen zwischen dem Augsburger Religionsfrieden, dem Abschluss des Konzils von Trient und dem Beginn des Dreißigjährigen Krieges auseinander. Sie wollte den Denk- und Handlungsrahmen eines Bischofs und geistlichen Fürsten des Heiligen Römischen Reichs in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts und in den ersten Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts herausarbeiten. Besonderes Augenmerk schenkten die Organisatoren dabei den Wandlungsprozessen innerhalb der fokussierten Epoche.

Nach der Begrüßung durch Gastgeber und Kirchenhistoriker WOLFGANG WEISS (Würzburg) erkundeten die drei Referenten der ersten, von dem Landeshistoriker DIETMAR GRYPA (Würzburg) moderierten Sektion das Spannungsfeld „Bischofsideale – ideale Bischöfe?“. Mit dem tridentinischen Bischofsideal und seinen Wurzeln befasste sich der katholische Theologe PETER WALTER (Freiburg). Das Bischofsideal des Tridentinums sei wenig originell gewesen, sondern habe vorwiegend auf die Bibel und kirchliche Dekrete zurückgegriffen. In der Trienter Sitzungsperiode von 1551/52 sei erstmals festgehalten worden, dass sich Priester und Bischöfe durch das Ius ordinandi unterscheiden. Dies bedeutete, dass die Weihe von Priestern dem Bischof vorbehalten war, und stellte einen wichtigen Schritt zur Konkretisierung des bischöflichen Amtsverständnisses dar.

Die Ausprägung des tridentinischen Bischofsideals habe sich im Spannungsfeld zwischen Regionalität und Universalisierung bewegt: Einerseits sollten die Bischöfe in ihrer Ortskirche eigenständig wirken, besonders auch wie in der Alten Kirche predigen und die Sakramente spenden. Andererseits hatten die römischen Kongregationen über die Umsetzung des Tridentinums zu wachen.

Bischöfe als Humanisten und Jesuitenschüler nahm der Landeshistoriker RAINALD BECKER (München) in den Blick. Der Referent betonte, dass die reformatorische Polemik gegen das kirchliche Amt zur Geburtshelferin der katholischen Bildapologetik für das Amt geworden sei. Der Klerus werde als Teil der weltumspannenden Kirchen-, Staaten- und Völkergemeinschaft präsentiert.

Im 16. Jahrhundert seien die Bischöfe zuerst als Reichsfürsten dargestellt worden. So trügen weltliche wie geistliche Kurfürsten Kurhüte und Hermelinmäntel, unterschieden sich aber in Details: So seien die Kurerzbischöfe an Priesterkrägen, die weltlichen Kurfürsten an der spanischen Halskrause erkennbar.

Für die Porträts der Fürstbischöfe seien zwei Porträttypen charakteristisch geworden: Das humanistische Porträt zeige den Geistlichen als Gelehrten mit vierspitziger Mütze und der Schaube, einem Mantel. Diese Tracht sei schließlich von den Fürstbischöfen bevorzugt außerhalb der Liturgie getragen worden. Als Beispiele für die Übernahme der Gelehrtentracht ins Porträt nannte Becker aus dem fränkischen Bereich die Würzburger Fürstbischöfe und Echter-Vorgänger Konrad von Bibra und Melchior Zobel von Giebelstadt.

Jesuitisch geprägte Prälaten wie der Würzburger Bischof Johann Gottfried von Aschhausen, der Nachfolger Julius Echters, zeigten sich in ihren Porträts vermehrt in geistlicher Tracht mit Birett und Mozzetta. Die unterschiedlichen Trachten brächten die weltliche und geistliche „Doppelrealität“ der Reichskirche zum Ausdruck.

Der Frühneuzeithistoriker RAINER BABEL (München/Rom) stellte Reformbischöfe in Frankreich vor. Zu den reformwilligen Bischöfen habe Kardinal François de Joyeuse gehört. Dieser habe 1593 bei einem Provinzialkonzil die Stärkung der kirchlichen Disziplin und die Schaffung eines einheitlichen Klerus eingefordert und selbst intensiv nach dem Vorbild des Mailänder Erzbischofs Carlo Borromeo an der Katechese der Gläubigen mitgewirkt.

In der von protestantischer Präsenz geprägten Diözese Nîmes habe Bischof Anthyme Denis Cohon, ein bekannter Prediger, die Residenzpflicht ernst genommen, Diözesansynoden abgehalten, Seminare gegründet und Orden angesiedelt. Als zentrale Gestalt der kirchlichen Erneuerung beschrieb Babel Kardinal Pierre de Bérulle, der ein umfassendes, spirituell geprägtes und vom Tridentinum beeinflusstes Bild von Priestertum und Bischofsamt vertreten habe. Der Kardinal habe das Priestertum als Ursprung alles Heiligen angesehen. Allerdings verhielten sich Priester und Bischof wie Engel und Erzengel zueinander, und der Bischof werde als Hohepriester mit einer sehr engen Beziehung zu Gott betrachtet.

Die zweite, von dem Frühneuzeithistoriker MANFRED RUDERSDORF (Leipzig) geleitete Sektion stand unter dem Motto „Zwischen Politik und geistlichem Auftrag“. Die Historikerin ROTRAUD BECKER (Regensburg) eröffnete die Reihe der Vorträge mit einem Beitrag über die Kurie, die Nuntien und die Reichskirche. Die Nuntien, die gewillt gewesen seien, dem kurialen Amtsverständnis zum Durchbruch zu verhelfen, hätten sich mit starken Widerständen konfrontiert gesehen: Die Fürstbischöfe und Fürsterzbischöfe hätten die Tendenz zu stärkerer Zentralisierung und zur Einrichtung von Kongregationen, die der Überwachung der Ortskirchen dienen sollten, als Eingriff in ihre Amtsgewalt und als Gängelungsversuch verstanden. Im Episkopat habe sich so bereits früh eine selbstbewusste Widerstandshaltung entwickelt, die sich im 17. Jahrhundert verschärft habe und als Vorzeichen für die schwere Krise des „Nuntiaturstreits“ im 18. Jahrhundert zu interpretieren sei.

Den Kampf um den Bischofsthron untersuchte der Landeshistoriker DIETER J. WEISS (München) am Beispiel der Domkapitel, der Wahlszenarien, der Koadjutorenregelungen und der dynastischen Politik. Seit 1215 sei die Wahl durch das jeweilige Domkapitel vorgesehen gewesen und zwar auf drei Arten: die Wahl „per scrutinium“ als geheime Wahl mit Zetteln, die Wahl „per compromissum“ durch ein Wahlgremium und die Inspirationswahl, bei der sich das Kapitel bereits vor der Wahl auf einen Kandidaten geeinigt habe. Tatsächlich hätten aber auch militärische Kämpfe um den Bischofsthron stattgefunden, wie Weiß am Beispiel des von Kurfürst Maximilian I. von Bayern zur Abdankung gezwungenen Salzburger Fürsterzbischofs Wolf Dietrich von Raitenau zeigte. Bei der Umsetzung der in Trient verabschiedeten Reformen sei die Kirche auf die Unterstützung des weltlichen Armes angewiesen gewesen. Die erfolgreiche katholische Konfessionalisierung in den Territorien der Fürstbischöfe sei vor allem aufgrund ihrer Eigenschaft als Landesherren möglich gewesen. Auch Julius Echter sei zwar ein energischer Vertreter der katholischen Reform gewesen, habe aber in erster Linie als Reichsfürst gehandelt.

Der katholische Kirchenhistoriker KLAUS UNTERBURGER (Regensburg) stellte in seinem Beitrag das Bischofsamt der Weihbischöfe vor, indem er die Entwicklung der Institution „Weihbischof“, den fundamentalen Wandel des Amtes in der nachreformatorischen Epoche und die Folgen für das tridentinische Bischofsideal in den Blick nahm. Bereits gegen Ende des 15. Jahrhunderts seien die den Bettelorden angehörenden Weihbischöfe verschwunden und hätten solchen aus der Reihe der Weltpriester Platz gemacht. Nach der Reformation sei ein neuer Typus von Weihbischöfen entstanden, die häufig der bürgerlichen oder auch adeligen Beamtenelite entstammten und über ein erheblich gewachsenes Sozialprestige verfügt hätten. Das Konzil von Trient habe den Weihbischof nur als Ausnahmefall in Notlagen vorgesehen. Dies habe im 17. und 18. Jahrhundert allerdings nicht der Realität entsprochen, da die Weihbischöfe oft die eigentlichen Hirten der Gläubigen gewesen seien: Sie traten als Prediger hervor und vollzogen in der Regel die Pontifikalhandlungen. Die nachtridentinische Epoche sei eine Umbruchszeit für das Amt des Suffraganbischofs gewesen, da das Weiheamt des Weihbischofs zunehmend mit jurisdiktionellen Kompetenzen verbunden gewesen sei. Der Bedeutungszuwachs spiegelte sich auch in besserer finanzieller Ausstattung wider, indem den Weihbischöfen lukrative Pfründen überlassen wurden.

Mit dem Topos der „Hexenbischöfe“ und der Konstruktion des Verfolgungsparadigmas setzte sich die Frühneuzeithistorikerin RITA VOLTMER (Trier) auseinander. Sie zeigte, dass die protestantisch geprägte Publizistik bereits im 16. Jahrhundert das Schreckbild der Verfolgung durch Fürstbischöfe konstruiert habe. Bisher lasse sich erstmals 1835 die Bezeichnung „Hexenbischof“ nachweisen, die sich in diesem Fall auf den Bamberger Fürstbischof Fuchs von Dornheim beziehe. Die neuere Hexenforschung habe das Etikett „Hexenbischof“ auf fast alle geistlichen Landesfürsten angewandt, während deren Herrschaft größere Hexenverfolgungen stattgefunden hätten. Voltmer betonte, dass geistliche und weltliche Landesfürsten die Handlungsoption „Hexenverfolgung“ in unterschiedlicher Weise gehandhabt hätten: Sie hätten Hexenprozesse aus politischen oder konfessionellen Gründen, zur Ausweitung ihrer Souveränität und Sicherung der Landeshoheit unterbunden, geduldet, zugelassen und initiiert. Bedeutsam sei die von Vertretern der katholischen nachtridentinischen Reform konzipierte politische Dämonologie gewesen, der sich katholische Obrigkeiten nur schwer hätten entziehen können. Da Predigt, Volksmission und die Ordensnetzwerke wie beispielsweise die Jesuiten die politische Dämonologie verbreitet hätten, sei es vermehrt zu Hexenverfolgungen gekommen.

In seinem Abendvortrag am Echter-Epitaph im Würzburger Dom stellte WOLFGANG WEISS (Würzburg) Julius Echter als Reichsfürst und Reformbischof vor. Der Kirchenhistoriker würdigte ausgehend von der Inschrift des von dem Bamberger Bildhauer Nikolaus Lenkhart im Auftrag von Echters Nachfolger Johann Gottfried von Aschhausen geschaffenen Grabmals die Unterfranken nachhaltig prägende Regierungstätigkeit des Fürstbischofs. Weiß wies darauf hin, dass die Inschrift den Fürstbischof in antiker Tradition als „Pater Patriae“, als „Vater des Vaterlands“ rühmte. Der panegyrische Nachruf würdigte weniger die Frömmigkeit des Regenten, sondern vielmehr dessen Tugenden als Herrscher.

Den zweiten Tag der Veranstaltung eröffnete die von der Frühneuzeithistorikerin ANUSCHKA TISCHER (Würzburg) moderierte dritte Sektion „Konfessionelle Konflikt- und Gemengelagen“. In seinem Beitrag „Nur ein Spielball der großen Dynastien?“ ging der Frühneuzeithistoriker MATTHIAS ASCHE (Potsdam) den evangelischen Bischöfen und Bistumsadministratoren im Spannungsfeld von dynastischer Politik und persönlichem Regiment nach. Zum Zeitpunkt des Augsburger Religionsfriedens sei die Reformation in den geistlichen Territorien Mittel- und Norddeutschlands schon weit fortgeschritten gewesen, und die große Mehrheit der evangelischen Bischöfe habe benachbarten protestantischen Herrscherdynastien angehört. Eine Ausnahme habe Altlivland dargestellt, dessen Bischöfe sowohl bürgerlichen Familien wie auch der Ritterschaft des Landes entstammten. Die Praxis auch katholischer Domkapitel, einen evangelischen Fürstensohn zum Fürstbischof zu wählen, sei für die Dynastien vorteilhaft gewesen: Einerseits habe dies die Versorgung des Gewählten gesichert, und andererseits habe die Wahl externe geistliche Jurisdiktionsrechte ausgeschaltet. Nach dem Konzil von Trient blieb die päpstliche Konfirmation, Grundlage der kaiserlichen Belehnung mit dem Hochstift, den evangelischen Bischöfen allerdings versagt. Generell hätten die evangelischen Domkapitel und Fürstbischöfe nach dem Augsburger Religionsfrieden lange Zeit darauf geachtet, die Katholizität der Hochstifte zu wahren bzw. vorzugeben, um den Religionsfrieden nicht zu verletzen.

Der evangelische Kirchenhistoriker MARKUS WRIEDT (Frankfurt am Main) gab in seinem Beitrag „Von geistlicher Gemeindeleitung zu bischöflicher Administration“ einen diachronen Überblick zum Wandel evangelischer Vorstellungen zu kirchenleitenden Ämtern vom 17. bis zum 19. Jahrhundert. Martin Luther habe einerseits an der traditionellen Leitung der Kirche durch einen Bischof festgehalten. Daneben habe er auch synodale Verfahren wie die Wahl durch die Gemeinde zur Geltung bringen wollen. Wesentlich sei für den Reformator immer die Rückführung auf ur- und frühchristliche Traditionen gewesen. Generell sei Luther davon ausgegangen, dass sich die Bischöfe seinen reformatorischen Forderungen nach Lektüre seiner Schriften bzw. deren biblischer Grundlage anschließen würden. Allerdings sei er überzeugt gewesen, dass noch zu seinen Lebzeiten das Ende der Welt anbreche. Das habe die Frage nach der Legitimation des Bischofsamtes überflüssig erscheinen lassen. Die Trennung zwischen staatlicher und kirchlicher Leitungsfunktion und damit die Umsetzung der Lehre Luthers seien aufgrund der politischen Gegebenheiten nicht möglich gewesen und deswegen gescheitert. In der Gegenwart handele es sich bei dem evangelischen Bischofsamt um ein funktionales und administratives Amt.

Jurisdiktionskonflikte zwischen Bischöfen und evangelischen Landesherren stellte der Mittelalterhistoriker ENNO BÜNZ (Leipzig) vor. Er konzentrierte sich dabei auf den mitteldeutschen Raum und die Bistümer Meißen, Merseburg und Naumburg. Der Anspruch der Kurfürsten von Sachsen als Schutzherren der Bistümer auf die Landesherrschaft in den Hochstiften habe dazu geführt, dass die Fürstbischöfe den Einladungen zu den Reichstagen keine Folge mehr geleistet und so bereits zu Beginn der Reformationszeit nur noch über eine formale Reichsstandschaft verfügt hätten. Im 16. Jahrhundert hätten sich die mitteldeutschen Bistümer vollständig in der Hand des landsässigen Adels befunden, der auch die Domkapitel dominiert habe. Faktisch seien die Bistümer bis in die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts in den Staat der Kurfürsten von Sachsen integriert worden. Formal sei die Existenz der Bistümer allerdings gewahrt worden, da eigene Administratoren aus dem Haus Wettin deren Temporalien verwalteten. Die letzten katholischen Bischöfe seien 1555 in Meißen, 1561 in Merseburg und 1564 in Naumburg verstorben.

Mit dem Verhältnis zwischen katholischen Bischöfen und protestantischen Untertanen beschäftigte sich der Frühneuzeithistoriker FRANK KLEINEHAGENBROCK (Würzburg/Bonn). Bis zum 17. Jahrhundert hätten Protestanten in katholischen Hochstiften gelebt. Eine Klärung der Verhältnisse habe erst der Dreißigjährige Krieg bewirkt, so dass sich nach dem Westfälischen Frieden in den meisten Fürstbistümern keine Protestanten mehr finden lassen. Ausnahmen seien die konfessionell gemischten Fürstbistümer Osnabrück und Hildesheim gewesen. Bis weit in das 18. Jahrhundert hinein habe aber beispielsweise im Erzstift Salzburg der Geheimprotestantismus fortgelebt. In den einzelnen Fürstbistümern habe es unterschiedliche zeitliche Abläufe und große Unterschiede in der Radikalität des Vorgehens gegen Protestanten gegeben. Vor allem in den 1580er-Jahren seien zwei Vorgehensweisen üblich gewesen: Während beispielsweise Schul- und Universitätsgründungen und die Verbesserung der kirchlichen Infrastruktur die Attraktivität des katholischen Glaubens auch für Protestanten steigern sollten, um eine emotionale Bindung zu schaffen, gelangten auch Abwehrmaßnahmen wie die Einschränkung der religiösen Praxis und der Druck zur Konversion sowie als letztes Zwangsmittel die Vertreibung der Protestanten aus den Hochstiften zum Einsatz. Am Beispiel des Hochstifts Würzburg und der unter Fürstbischof Julius Echter in den 1580er-Jahren stattfindenden Rekatholisierung verdeutlichte Kleinehagenbrock die existenziellen Folgen für die betroffenen Familien, die sich nach ihrer Vertreibung zum Teil zu Glaubensopfern stilisierten. Wesentlich sei für die katholischen Fürstbischöfe das formale Bekenntnis der Untertanen zum Katholizismus gewesen, um Macht und Herrschaft zu sichern.

Die vierte Sektion „Bischöfe zwischen Kunst und Kommerz“ moderierte der katholische Kirchenhistoriker DOMINIK BURKARD (Würzburg). Das Spannungsfeld der fürstbischöflichen Repräsentation zwischen der Rolle des geistlichen Hirten und des weltlichen Landesherrn nahm die Frühneuzeithistorikerin BETTINA BRAUN (Mainz) in den Blick. Unter „Repräsentation“ wollte die Referentin nicht nur das vom Herrscher selbst intendierte Bild, sondern auch die unterschiedlichen Modi der Vergegenwärtigung verstanden wissen. Am Beispiel von Medaillen, des Akts des Herrschaftsantritts und der darauf folgenden Huldigung, der Grabmäler und der Leichenpredigten stellte Braun die Spannung zwischen geistlicher und weltlicher Rolle dar. Während im 16. Jahrhundert die fürstliche Seite der Fürstbischöfe stärker gewichtet worden sei, habe sich das Gewicht im 17. und 18. Jahrhundert zugunsten der geistlichen verschoben.

Der Frühneuzeithistoriker MARK HÄBERLEIN (Bamberg) untersuchte in seinem Beitrag die Wirtschaftspolitik der geistlichen Territorien in der Zeit Julius Echters im Spannungsfeld zwischen Glaubenseinheit und „guter Policey“. Aus der Doppelnatur des Bischofsamts habe eine Spannung zwischen Glauben und Wirtschaft resultiert. Im Untersuchungszeitraum sei eine genuine Wirtschaftspolitik nur in Ansätzen erkennbar, denn die Hauptaufmerksamkeit der Zeitgenossen habe der „guten Policey“ im Sinn einer Wiederherstellung einer moralischen und politischen Norm gegolten. Die Auseinandersetzung zwischen dem Fürsterzstift Salzburg mit Nachbarterritorien wie dem Herzogtum Bayern verdeutliche das Konfliktpotenzial zwischen wirtschaftlichen und politischen Interessen. Nicht definitiv klären lasse sich das Verhältnis zwischen wirtschaftlichen Interessen und persönlicher Frömmigkeit der Fürstbischöfe. Wie Braun verwies Häberlein darauf, dass die Fürstbischöfe in diesem Spannungsfeld mehr als Fürsten und weniger als Bischöfe agiert hätten.

In der abschließenden, fünften Sektion „Der Fürst in der Kirche – Kirche der Fürsten?“ gab der evangelische Kirchenhistoriker VOLKER LEPPIN (Tübingen) einen Rück- und Ausblick. Mit einem Blick auf die konfessionelle Landkarte sprach Leppin davon, dass aus der evangelischen Perspektive von einem „Einschmelzen altgläubiger Inseln“ gesprochen werden könne. Hier hätten sich die Lebensbedingungen im katholischen Sinn verändert. Wichtiger als die Konfession seien für die Geschichte der Hochstifte verschiedentlich die dynastischen Interessen gewesen. Julius Echter bezeichnete Leppin als „Restaurator des katholischen Reichsbischofs“. Im kirchlichen Bereich seien die antireformatorische Stabilisierung des Klerus und der von diesem ausgehende Einfluss auf das Gemeindeleben wesentlich gewesen. Das Bischofsideal des Konzils von Trient habe wohl den Bischof als Vorbild, Verantwortlichen für seine Diözese, Prediger und guten Hirten gezeichnet. Diesem Ideal seien aber weniger die Reichsbischöfe selbst, sondern vielmehr deren Weihbischöfe nachgekommen.

In einem Ausblick wies Leppin auf die in den katholischen Hochstiften spürbare Spannung zwischen Universalität und Regionalisierung hin, während in evangelischen Territorien eine Dezentralisierung erfolgte. Eine wichtige Frage sei weiterhin, wo die Unterscheidung zwischen geistlichem und weltlichem Element sinnvoll sei, da beide Aspekte für die Akteure stets untrennbar verbunden gewesen seien. Bei einer differenzierten Bischofstypologie seien zumindest für den Bereich des Reiches verschiedene Aspekte miteinander zu verbinden: die weltliche Herrschaft, die geistliche Jurisdiktion, das sakramentale und pastorale Wirken sowie die Bildung. Im Hinblick auf die evangelischen Amtsträger wie die Superintendenten gab er zu bedenken, dass hier der Bildungsaspekt dominierte.

Konferenzübersicht:

Wolfgang Weiß (Würzburg), Begrüßung

I. Bischofsideale – ideale Bischöfe?

Peter Walter (Freiburg), Das tridentinische Bischofsideal und seine Wurzeln

Rainald Becker (München), Bischöfe als Humanisten und Jesuitenschüler

Rainer Babel (München/Rom), Reformbischöfe in Frankreich

II. Zwischen Politik und geistlichem Auftrag

Rotraud Becker (Regensburg), Die Kurie, die Nuntien und die Reichskirche

Dieter J. Weiß (München), Kampf um den Bischofsthron (Domkapitel, Wahlszenarien, Koadjutorenregelungen, dynastische Politik)

Klaus Unterburger (Regensburg), Das Bischofsamt der Weihbischöfe

Rita Voltmer (Trier), Hexenbischöfe? Zur Konstruktion eines Verfolgungsparadigmas

Wolfgang Weiß (Würzburg), Abendvortrag am Echter-Epitaph im Würzburger Dom: Julius Echter als Reichsfürst und Reformbischof

III. Konfessionelle Konflikt- und Gemengelagen

Matthias Asche (Potsdam), Nur ein Spielball der großen Dynastien? Die evangelischen Bischöfe und Bistumsadministratoren im Spannungsfeld von dynastischer Politik und persönlichem Regiment

Markus Wriedt (Frankfurt am Main), Von geistlicher Gemeindeleitung zu bischöflicher Administration: Ein diachroner Überblick zum Wandel evangelischer Vorstellungen zu kirchenleitenden Ämtern vom 17. bis zum 19. Jahrhundert

Enno Bünz (Leipzig), Jurisdiktionskonflikte zwischen Bischöfen und evangelischen Landesherren

Frank Kleinehagenbrock (Würzburg/Bonn), Katholische Bischöfe und protestantische Untertanen

IV. Bischöfe zwischen Kunst und Kommerz

Bettina Braun (Mainz), Die Repräsentation der Fürstbischöfe: geistliche Hirten oder weltliche Landesherren

Mark Häberlein (Bamberg), Wirtschaftspolitik im Spannungsfeld von Glaubenseinheit und „guter Policey“: Geistliche Territorien in der Zeit Julius Echters

V. Der Fürst in der Kirche – Kirche der Fürsten?

Volker Leppin (Tübingen), Statement

Wolfgang Weiß (Würzburg), Schlusswort


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